Warum Sie die Haustechnik in Ihrer Wohnung nicht einfach ignorieren dürfen
Stellen Sie sich vor, Sie kaufen eine Wohnung, die schön aussieht, aber die Heizung läuft wie ein alter Kühlschrank - laut, ineffizient, teuer. Oder die Badezimmer sind modern, aber die Rohre im Keller sind ungedämmt, und im Winter tropft es von der Decke. Das passiert öfter, als man denkt. Viele Käufer schauen nur auf die Fliesen, die Küchenfronten oder die Fenster. Doch die Haustechnik ist das unsichtbare Herzstück jeder Immobilie. Sie entscheidet darüber, ob Sie im Winter frieren oder warm bleiben, ob Ihre Stromrechnung Sie ruiniert oder ob Sie überhaupt eine Wärmepumpe einbauen können.
Seit dem 1. Januar 2024 gilt in Deutschland eine neue Regelung: Gemäß § 60b GEG muss jede Heizungsanlage in bestehenden Wohngebäuden von einem zertifizierten Fachmann geprüft werden. Das ist kein Vorschlag - das ist Pflicht. Und es geht nicht nur um Gesetze. Es geht um Ihr Geld, Ihre Gesundheit und Ihre Zukunft. Eine schlecht funktionierende Lüftung kann Schimmel verursachen. Undichte Sanitärleitungen führen zu teuren Schäden. Und eine falsch dimensionierte Heizung macht jede Energieeinsparung zunichte.
Was genau wird bei einer Haustechnik-Prüfung untersucht?
Es geht nicht nur darum, ob die Heizung an geht. Eine professionelle Prüfung prüft drei Kernbereiche: Heizung, Lüftung und Sanitär - und wie sie miteinander verbunden sind.
- Heizung: Ist die Vorlauftemperatur zu hoch? Läuft die Heizungspumpe effizient? Sind alle Heizkörper gleichmäßig warm? Sind Rohrleitungen im Keller gedämmt? Diese Punkte werden mit einem Heizungsschnelltest abgefragt - ein einfaches Checkliste-Verfahren, das jeder Hausbesitzer selbst machen kann.
- Lüftung: Funktioniert die mechanische Lüftungsanlage? Ist die Luftwechselrate ausreichend? Gibt es Stauzonen, wo sich Feuchtigkeit sammelt? Hier hilft der Blower-Door-Test, der genau misst, wie luftdicht Ihr Haus ist - und ob die Lüftung überhaupt nötig ist oder ob Sie einfach zu viel lüften.
- Sanitär: Sind die Wasserleitungen korrekt isoliert? Gibt es Leckagen, die nicht sichtbar sind? Ist die Warmwasserzirkulation effizient? Eine Thermografie kann hier Wärmebrücken oder undichte Rohre im Fußboden aufspüren - ohne Boden aufzustemmen.
Diese drei Systeme sind nicht voneinander getrennt. Eine schlechte Dämmung macht eine moderne Heizung nutzlos. Eine unzureichende Lüftung macht eine Wärmepumpe ineffizient. Und eine undichte Sanitärinstallation verschwendet nicht nur Wasser - sie verschwendet auch Wärme.
Die drei wichtigsten Prüfmethoden - und was sie wirklich bringen
Nicht jede Prüfung ist gleich. Manche Methoden sind für Laien geeignet, andere brauchen Profis. Hier die drei entscheidenden Verfahren, die wirklich etwas aussagen.
1. Thermografie - Die Wärmekamera als Detektiv
Die Thermografie zeigt Ihnen, wo Wärme entweicht. Mit einer Infrarotkamera wird die Außenwand, die Decke, die Fenster und sogar der Fußboden abgefilmt. Kältebereiche erscheinen als blaue oder schwarze Flecken - das sind Wärmebrücken. Diese Methode ist besonders nützlich, um Leckagen in Fußbodenheizungen zu finden. Sie spart Ihnen Tausende Euro an Reparaturkosten, denn Sie müssen nicht den ganzen Boden aufbrechen.
Aber: Die Thermografie funktioniert nur, wenn die Außentemperatur mindestens 10°C niedriger ist als die Innentemperatur. Das heißt: Im Sommer ist sie nutzlos. Und sie braucht mindestens 12 Stunden Vorlauf: Fenster und Türen müssen geschlossen sein, Heizung muss durchgängig laufen. Ein Gutachter mit Zertifikat nach ISO 18436-7 kostet zwischen 300 und 600 Euro - je nach Größe der Wohnung. Aber: Ohne diese Prüfung wissen Sie nicht, ob Ihre Wärmepumpe überhaupt funktionieren wird.
2. Blower-Door-Test - Die Luftdichtheit messen
Der Blower-Door-Test ist der Goldstandard, um zu messen, wie gut Ihr Haus abgedichtet ist. Ein Ventilator wird in eine Tür eingebaut und erzeugt einen Unterdruck von 50 Pascal. Dann wird gemessen, wie viel Luft pro Stunde durch Risse und Undichtigkeiten strömt - die sogenannte Luftwechselrate (n50). Ein Wert unter 1,0 h⁻¹ gilt als sehr gut. Bei alten Häusern liegt er oft bei 3,0 oder höher. Das bedeutet: Sie heizen die Außenluft.
Im Gegensatz zur Thermografie funktioniert dieser Test zu jeder Jahreszeit. Er ist teurer - zwischen 400 und 800 Euro - aber er liefert exakte Zahlen. Und er ist notwendig, wenn Sie sanieren oder eine Wärmepumpe einbauen wollen. Die DGNB und der VPB empfehlen diesen Test immer in Kombination mit der Thermografie. Nur so bekommen Sie ein vollständiges Bild.
3. Der 50-Grad-Temperatur-Test - Die Wärmepumpen-Prüfung
Wenn Sie über eine Wärmepumpe nachdenken, ist dieser Test entscheidend. Er prüft: Kann Ihr Haus bei Außentemperaturen von -5°C noch mit einer Vorlauftemperatur von 55°C ausreichend beheizt werden? Wenn ja - dann ist Ihre Heizung für eine Wärmepumpe geeignet. Wenn nein - dann brauchen Sie zuerst eine Dämmung, neue Fenster oder eine andere Heizfläche.
Prof. Dr. Martin J. Kriegler von der TU Darmstadt sagt: „Viele Hausbesitzer investieren 20.000 Euro in eine Wärmepumpe - und dann stellt sich heraus, dass sie im Winter nicht warm genug wird. Der Grund? Sie haben den 50-Grad-Test nicht gemacht.“
Dieser Test wird von Energieberatern durchgeführt. Er kostet zwischen 150 und 300 Euro - aber er spart Ihnen möglicherweise 10.000 Euro Fehlinvestition.
Was Sie selbst prüfen können - der Heizungsschnelltest
Sie müssen nicht gleich einen Experten rufen. Mit dem Heizungsschnelltest von Heizungsbau-Gabler können Sie in 15 Minuten grobe Mängel finden. Hier die wichtigsten Punkte:
- Prüfen Sie alle Heizkörper: Sind sie überall gleich warm? Wenn ein Heizkörper oben kalt ist - dann ist Luft drin. Lüften!
- Prüfen Sie die Rohre im Keller: Sind sie mit Dämmung umhüllt? Wenn nicht - dann verlieren Sie bis zu 8% der Wärme. Dämmung kostet 20 Euro pro Meter - aber spart 100 Euro im Jahr.
- Prüfen Sie die Vorlauftemperatur: Steht die Heizung auf 70°C? Dann ist sie zu heiß. Moderne Systeme brauchen 50-55°C. Reduzieren Sie sie - und sparen Sie Energie.
- Prüfen Sie die Heizungspumpe: Läuft sie auf Stufe 1? Dann ist sie zu schwach. Auf Stufe 3? Dann ist sie zu stark. Die richtige Stufe steht im Handbuch - oder fragen Sie einen Installateur.
Diese Punkte kosten nichts - aber sie können Ihnen sofort helfen. Und wenn Sie mehr als 15 Punkte verlieren, ist es Zeit für einen Profi.
Was passiert, wenn Sie nichts tun?
Die Folgen sind nicht nur finanziell, sondern auch rechtlich.
Seit 2024 müssen Sie als Vermieter die Ergebnisse der Heizungsprüfung auf Nachfrage vorlegen - sonst drohen Bußgelder. Als Eigentümer können Sie bei einem Verkauf nicht einfach sagen: „Ich hab’s nicht geprüft.“ Käufer fordern heute einen Energieausweis - und der zeigt, ob die Heizung optimal eingestellt ist.
Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs. Eine schlecht funktionierende Lüftung führt zu Schimmel. Schimmel bedeutet Gesundheitsrisiken - besonders für Kinder und alte Menschen. Und das ist nicht nur ein Problem der Wohnung - es ist ein Problem der Lebensqualität.
Und dann ist da noch das Geld. Eine alte Heizung verbraucht 30-50% mehr Energie als eine moderne. Eine undichte Lüftung lässt die Heizkosten in die Höhe schnellen. Und eine ungedämmte Sanitärleitung verschwendet nicht nur Wasser - sie verschwendet auch die Wärme, die Sie teuer erzeugt haben.
Wie viel kostet eine professionelle Prüfung?
Die Kosten sind kein Luxus - sie sind eine Investition.
| Prüfverfahren | Kosten | Dauer | Wann sinnvoll? |
|---|---|---|---|
| Heizungsschnelltest (Selbsttest) | 0 € | 15 Minuten | Bevor Sie einen Experten rufen |
| Thermografie | 300-600 € | 2-4 Stunden | Wenn Sie Schimmel oder hohe Heizkosten haben |
| Blower-Door-Test | 400-800 € | 1-2 Stunden | Bevor Sie sanieren oder eine Wärmepumpe einbauen |
| 50-Grad-Temperatur-Test | 150-300 € | 1 Stunde | Wenn Sie eine Wärmepumpe in Betracht ziehen |
| Umfassende Haustechnik-Inspektion (alle 3) | 900-1.500 € | 1 Tag | Beim Kauf einer Immobilie oder vor einer Sanierung |
Und hier ist die gute Nachricht: Das BAFA (Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle) zahlt bis zu 500 Euro Zuschuss, wenn Sie einen Sanierungsfahrplan erstellen lassen - und dieser Plan braucht genau diese Prüfungen.
Was kommt als Nächstes? Digitalisierung und KI
Die Zukunft der Haustechnik-Prüfung ist digital. In München entwickeln Forscher KI-Tools, die Thermografie-Bilder automatisch auswerten. Statt dass ein Experte Stunden braucht, um Wärmebrücken zu finden, zeigt die Software in Sekunden alle Schwachstellen an - mit Genauigkeit von über 90%.
Ein neues Online-Tool namens „Digitaler Modernisierungs-Check“ gibt Ihnen erste Hinweise, ob Ihr Haus für eine Wärmepumpe geeignet ist - ohne dass Sie einen Termin machen müssen. Es fragt nach dem Baujahr, der Heizungsart und der Dämmung - und sagt: „Empfehlung: Thermografie + Blower-Door-Test“.
Das bedeutet: Sie werden nicht mehr auf teure Gutachten angewiesen sein, um zu wissen, was nötig ist. Aber: Die echten Prüfungen - Thermografie, Blower-Door, 50-Grad-Test - bleiben notwendig. Die Digitalisierung hilft nur, sie besser zu planen.
Was tun, wenn Sie eine Wohnung kaufen?
Wenn Sie eine Immobilie kaufen, machen Sie die Haustechnik-Prüfung zur Voraussetzung. Fordern Sie vom Verkäufer:
- Den neuesten Energieausweis
- Den Bericht der letzten Heizungsprüfung (§ 60b GEG)
- Ein Thermografie-Bild der Außenwände
- Den Blower-Door-Wert (n50)
Wenn er keine dieser Unterlagen hat - dann zahlen Sie nicht mehr als 10-15% weniger. Denn die Nachbesserung kostet Sie später mehr.
Und wenn Sie eine Wärmepumpe wollen - dann fragen Sie: „Hat jemand den 50-Grad-Temperatur-Test gemacht?“ Wenn nein - dann machen Sie ihn. Sonst riskieren Sie, dass Ihre neue Heizung im Winter nicht warm genug wird - und Sie wieder mit Strom heizen müssen.
Was Sie jetzt tun sollten
Es ist nicht schwer. Es ist nur wichtig.
- Starten Sie mit dem Heizungsschnelltest - heute. Sie brauchen 15 Minuten.
- Wenn Sie mehr als 15 Punkte verlieren - buchen Sie eine Thermografie für den Winter.
- Wenn Sie über eine Wärmepumpe nachdenken - machen Sie den 50-Grad-Test, bevor Sie irgendetwas kaufen.
- Wenn Sie eine Immobilie kaufen - verlangen Sie die Prüfberichte. Keine Ausnahme.
Die Haustechnik ist nicht sexy. Sie ist nicht sichtbar. Aber sie ist der Grund, warum Sie im Winter warm bleiben - und warum Ihre Rechnung nicht explodiert. Prüfen Sie sie - oder zahlen Sie den Preis später.
Wie oft muss die Haustechnik in einer Wohnung geprüft werden?
Nach dem GEG muss die Heizungsanlage alle zwei Jahre von einem Fachmann überprüft werden - das ist die gesetzliche Mindestanforderung. Für eine vollständige Haustechnik-Inspektion (Thermografie, Blower-Door, Sanitärprüfung) reicht eine Prüfung alle fünf bis sieben Jahre, wenn keine Renovierung stattfindet. Beim Verkauf oder bei einer Sanierung ist eine aktuelle Prüfung Pflicht.
Kann ich die Thermografie selbst machen?
Nein. Thermografie-Kameras sind teuer (ab 1.500 Euro) und erfordern Fachwissen zur Auswertung. Ein falsch interpretiertes Bild kann zu falschen Schlussfolgerungen führen. Nur zertifizierte Gutachter mit ISO 18436-7-Zertifikat liefern verlässliche Ergebnisse. Selbst gekaufte Kameras liefern oft nur farbige Bilder - ohne Aussagekraft.
Ist ein Blower-Door-Test auch für Wohnungen sinnvoll?
Ja, besonders in Mehrfamilienhäusern. Auch in Wohnungen gibt es Undichtigkeiten - an Fenstern, Türen, Rohrleitungen oder zwischen Wohnung und Treppenhaus. Ein Blower-Door-Test im Gebäude gesamt zeigt, ob die Lüftung ausreichend ist oder ob Luft von der Nachbarwohnung hereinströmt. Das ist entscheidend für Schimmelprävention und Energieeffizienz.
Warum ist die Vorlauftemperatur so wichtig?
Die Vorlauftemperatur ist die Temperatur des Wassers, das in die Heizkörper fließt. Bei alten Heizungen liegt sie oft bei 70-80°C. Moderne Systeme - besonders Wärmepumpen - arbeiten optimal bei 50-55°C. Höhere Temperaturen verbrauchen mehr Energie und verkürzen die Lebensdauer der Anlage. Eine Senkung von 70°C auf 55°C spart bis zu 20% Energie.
Was ist der Unterschied zwischen einem Energieausweis und einer Haustechnik-Prüfung?
Der Energieausweis gibt eine grobe Schätzung des Energieverbrauchs - basierend auf Baujahr, Größe und Heizungsart. Die Haustechnik-Prüfung misst die tatsächliche Leistung: Wie gut ist die Dämmung? Wie effizient arbeitet die Pumpe? Ist die Lüftung richtig eingestellt? Der Ausweis sagt: „Ihr Haus ist schlecht“. Die Prüfung sagt: „Hier ist die Luftdichtheit zu schlecht, hier ist die Vorlauftemperatur zu hoch - und hier ist die Sanitärisolierung fehlt.“