Warum deine Heizkurve mehr kostet, als du denkst
Stell dir vor, du lädst dein Handy jeden Tag auf 100 %, obwohl es nur 40 % braucht, um den Tag zu überleben. Das ist, was viele Hausbesitzer mit ihrer Heizung machen. Die Heizkurve bestimmt, wie heiß das Wasser in deinen Heizkörpern werden muss - je kälter es draußen ist, desto heißer sollte es sein. Aber wenn die Kurve zu steil oder zu hoch eingestellt ist, heizt deine Anlage überall zu viel auf. Das kostet nicht nur Geld, es verschwendet auch Energie. In Österreich und Deutschland wird bei über 95 % der neuen Heizungen eine Heizkurve verwendet. Doch laut einer Studie der Hochschule Ostwestfalen-Lippe aus 2021 ist bei fast 70 % der Hausbesitzer die Kurve falsch eingestellt. Die Folge? Du zahlst für Wärme, die du gar nicht brauchst.
Was ist eine Heizkurve - und wie funktioniert sie?
Die Heizkurve (auch Heizkennlinie genannt) ist die Regelung, die deine Heizung sagt: „Wenn es draußen 5 °C hat, soll das Heizwasser 40 °C warm sein. Bei 0 °C draußen brauchen wir 45 °C im Rohr.“ Sie verbindet die Außentemperatur mit der Vorlauftemperatur deiner Heizung. Je besser diese Verbindung passt, desto weniger Energie verbrauchst du. Moderne Regler zeigen dir die Kurve als Linie auf einem Display: links die Außentemperatur, rechts die Vorlauftemperatur. Eine flache Linie bedeutet wenig Temperaturunterschied - das ist gut für moderne, gut gedämmte Häuser. Eine steile Linie bedeutet starke Anpassung - das brauchen alte Häuser mit großen Heizkörpern.
Drei Parameter steuern deine Kurve:
- Neigung (Steilheit): Wie stark reagiert die Vorlauftemperatur auf Änderungen der Außentemperatur? Werte zwischen 0,5 und 2,0 sind typisch. Höher = steiler = mehr Wärme bei Kälte.
- Niveau (Parallelverschiebung): Verschiebt die gesamte Kurve nach oben oder unten. Ein Niveau von +2 bedeutet: Alles wird um 2 °C wärmer, egal wie kalt es draußen ist.
- Soll-Raumtemperatur: Meist 20 °C. Das ist der Punkt, an dem deine Heizung annimmt, dass es drinnen warm genug ist.
Warum du nicht einfach „ein bisschen höher“ drehen solltest
Viele Hausbesitzer denken: „Wenn es kalt ist, muss die Heizung einfach mehr leisten.“ Und drehen das Niveau einfach um 3 °C hoch. Das ist der häufigste Fehler. Die Heizkurve ist kein Knopf, den du nach Gefühl verstellst. Sie ist ein System. Wenn du das Niveau zu hoch stellst, wird dein Haus zu warm - und die Heizung läuft länger. Das ist besonders schädlich, wenn du Nachtabsenkung nutzt. Denn wenn die Vorlauftemperatur zu hoch ist, kann die Heizung in der Nacht nicht richtig runterfahren. Die Wärme bleibt im Haus, und du verlierst den Effekt der Absenkung. Die Stadt Paderborn nennt das „heimliche Energieverluste“ - du merkst es nicht, aber dein Gaszähler dreht sich schneller.
Ein weiterer Fehler: Die Neigung zu hoch stellen. Das ist typisch bei Altbauten mit alten Heizkörpern. Du denkst: „Die sind kalt, also muss das Wasser heißer werden.“ Aber wenn die Kurve zu steil ist, heizt die Anlage bei milder Witterung übermäßig auf - und du verbrauchst mehr Energie als nötig. Laut dem Schweizer Bundesamt für Energie (BFE) kann eine zu hohe Neigung bis zu 6 % mehr Energie verbrauchen als nötig.
So optimierst du die Heizkurve - Schritt für Schritt
Die optimale Heizkurve findest du nicht in einer Tabelle. Du findest sie, indem du dein Haus beobachtest. Hier ist ein Praxisplan, der funktioniert:
- Starte mit einem hydraulischen Abgleich. Wenn deine Heizkörper ungleichmäßig warm werden - manche kalt, manche heiß - dann bringt eine neue Heizkurve nichts. Der Abgleich sorgt dafür, dass das Wasser gleichmäßig fließt. Ohne ihn ist jede Anpassung sinnlos.
- Senke das Niveau um 1-2 °C. Gehe nicht gleich auf -5. Setze es auf -1 oder -2 und warte 3-5 Tage. Gebäude sind träge. Sie reagieren nicht wie ein Smartphone. Du musst Zeit geben, bis sich die Raumtemperatur stabilisiert hat.
- Beobachte die Räume. Besonders die Nordseite, das Obergeschoss und die Ecken. Wenn dort die Temperatur unter 19 °C fällt, war die Senkung zu viel. Dann setze das Niveau um 0,5 °C wieder hoch.
- Teste bei zwei Temperaturen. Warte, bis es draußen etwa -2 °C ist. Notiere die Vorlauftemperatur. Dann warte, bis es 10-12 °C draußen ist. Die Differenz zwischen den beiden Vorlauftemperaturen sollte etwa 10-12 °C betragen. Wenn es mehr ist, ist die Neigung zu steil. Wenn es weniger ist, ist sie zu flach.
- Verändere nur einen Parameter pro Woche. Wenn du das Niveau änderst, lass die Neigung ruhen. Wenn du die Neigung anpasst, lass das Niveau stabil. Sonst weißt du nicht, was gewirkt hat.
- Prüfe die Nachtabsenkung. Wenn die Raumtemperatur in der Nacht nicht sinkt, obwohl du sie programmiert hast, ist die Vorlauftemperatur zu hoch. Senke das Niveau um 0,5 °C und prüfe erneut.
Dieser Prozess dauert 2-3 Wochen. Aber die Ergebnisse sind spürbar. Laut einer Umfrage von Heizung.de aus 2023 mit 1.245 Teilnehmern haben 78 % der Nutzer innerhalb von zwei Wochen eine spürbare Reduktion der Heizkosten festgestellt - oft zwischen 8 und 12 %.
Wann lohnt sich eine professionelle Optimierung?
Du kannst die Heizkurve selbst einstellen - aber nur, wenn du geduldig bist und die Regeln befolgst. Wenn du unsicher bist, oder dein Haus komplex ist (z. B. mehrere Heizkreise, Fußbodenheizung, Wärmepumpe), lohnt sich ein Profi. Ein Heizungsinstallateur mit Fachwissen macht den hydraulischen Abgleich, prüft die Regler-Einstellungen und passt die Kurve mit Messgeräten an. Die Kosten liegen zwischen 120 und 350 Euro, je nach Gebäudegröße und Komplexität.
Und hier ist der Clou: Die Bundesregierung fördert diese Optimierung mit bis zu 30 % der Kosten - maximal 200 Euro. Das bedeutet: Wenn du 300 Euro für eine professionelle Optimierung zahlst, bekommst du 200 Euro zurück. Du zahlst also nur 100 Euro - und sparst jedes Jahr 150-250 Euro an Heizkosten. Die Deutsche Energie-Agentur (dena) rechnet vor: Bis 2025 wird die Zahl der optimierten Heizungen in Österreich und Deutschland von 45 % auf 65 % steigen. Wer jetzt nicht nachzieht, zahlt überflüssig.
Heizkurve und Wärmepumpe - ein perfektes Paar
Wenn du eine Wärmepumpe hast, ist die Heizkurve noch wichtiger als bei einer Gasheizung. Wärmepumpen arbeiten am effizientesten, wenn sie niedrige Vorlauftemperaturen nutzen. Je niedriger die Temperatur, desto weniger Strom verbraucht sie. Eine Studie der TU München aus 2023 zeigt: Eine Senkung der Vorlauftemperatur um nur 5 °C verbessert die Jahresarbeitszahl (JAZ) um 0,3 - das ist eine Effizienzsteigerung von etwa 10 %. Das bedeutet: Deine Wärmepumpe macht mit weniger Strom mehr Wärme. Eine zu hohe Heizkurve macht sie ineffizient - und du verlierst den Hauptvorteil der Wärmepumpe: niedrige Betriebskosten.
Die neuesten Regler von Herstellern wie Vaillant oder Bosch nutzen heute Wettervorhersagen und KI, um die Kurve automatisch anzupassen. Aber auch diese Systeme brauchen eine korrekte Grundeinstellung. Sie können nicht alles retten - besonders nicht, wenn das Gebäude schlecht gedämmt ist. Wie der SHK-Fachverband betont: „Die perfekt eingestellte Heizkurve kann keine mangelnde Dämmung kompensieren.“
Was du jetzt tun kannst
Gehe heute Abend zu deinem Heizungsregler. Schau auf das Display. Finde die Heizkurve. Lies die aktuellen Werte für Neigung und Niveau. Notiere sie. Morgen früh, wenn du aufstehst, prüfe, ob alle Räume gleichmäßig warm sind. Wenn nicht, ist der Abgleich fällig. Wenn ja, dann senke das Niveau um 1 °C. Warte drei Tage. Beobachte. Messe. Und dann entscheide.
Es ist kein komplizierter Job. Es ist ein kluger Job. Du sparst Geld. Du schützt das Klima. Und du machst deine Heizung endlich so effizient, wie sie sein sollte.
Wie erkenne ich, ob meine Heizkurve zu hoch eingestellt ist?
Du erkennst es an drei Anzeichen: 1) Die Räume sind auch bei Nachtabsenkung zu warm. 2) Die Heizkörper sind warm, obwohl die Außentemperatur über 5 °C liegt. 3) Dein Heizöl- oder Gasverbrauch ist höher als bei Nachbarn mit ähnlichem Haus. Ein zu hohes Niveau oder eine zu steile Neigung sind die häufigsten Ursachen.
Kann ich die Heizkurve mit meiner Smartphone-App einstellen?
Ja, wenn dein Regler mit einer App verbunden ist - wie z. B. von Vaillant, Bosch oder Junkers. Aber Achtung: Viele Apps haben voreingestellte Profile, die zu hoch sind. Du musst die Werte manuell prüfen und anpassen. Die App hilft dir, die Einstellungen zu sehen und zu ändern, aber sie ersetzt nicht das Verständnis der Heizkurve.
Warum ändert sich die Raumtemperatur erst nach mehreren Tagen?
Weil Gebäude thermisch träge sind. Beton, Ziegel, Möbel und Luft speichern Wärme. Wenn du die Vorlauftemperatur senkst, dauert es Tage, bis das Gebäude abkühlt. Umgekehrt braucht es auch Tage, bis es sich erwärmt, wenn du die Kurve erhöhst. Geduld ist der wichtigste Faktor bei der Optimierung.
Ist eine Heizkurvenoptimierung sinnvoll, wenn ich eine Fußbodenheizung habe?
Ja, sogar besonders. Fußbodenheizungen arbeiten mit niedrigen Vorlauftemperaturen (30-35 °C). Eine zu steile Heizkurve zwingt sie, unnötig heiß zu werden - das verschwendet Energie. Hier ist eine flache Kurve (Neigung unter 1,0) ideal. Achte darauf, dass die Solltemperatur nicht zu hoch ist - 20 °C reichen völlig.
Wie oft sollte ich die Heizkurve überprüfen?
Einmal pro Jahr, idealerweise vor Beginn der Heizsaison. Auch wenn du nichts verändert hast: Die Dämmung kann sich verändern (z. B. neue Fenster, neue Dämmung), oder die Nutzung des Hauses hat sich geändert. Eine jährliche Kontrolle hält deine Heizung effizient.
Was bringt eine optimierte Heizkurve für die Umwelt?
Eine optimal eingestellte Heizkurve spart 4-6 % Energie. Bei einem Einfamilienhaus mit 2.500 Litern Heizöl sind das 100-150 Liter weniger pro Jahr. Das entspricht etwa 350-500 kg CO₂ - so viel, wie ein Baum in drei Jahren bindet. Wenn 100.000 Haushalte ihre Kurve optimieren, reduziert das die CO₂-Emissionen um über 50.000 Tonnen pro Jahr.