Stellen Sie sich vor, Ihr FI-Schutzschalter springt plötzlich immer wieder an - ohne ersichtlichen Grund. Oder Sie spüren beim Anfassen der Waschmaschine einen leichten Stromschlag. Das ist kein Zufall. Es ist ein Warnsignal. Ihre Erdungsanlage funktioniert nicht mehr richtig. Und das ist kein Kleinigkeitsproblem. Eine defekte Erdung kann tödlich sein. In Österreich und Deutschland sterben jedes Jahr Menschen, weil eine alte oder schlecht installierte Erdung keinen sicheren Weg für den Fehlerstrom bietet. Die gute Nachricht: Sie können das selbst erkennen - und richtig beheben. Aber nur, wenn Sie wissen, wie.
Warum Ihre Erdungsanlage lebenswichtig ist
Die Erdungsanlage ist das unsichtbare Rückgrat Ihrer Elektroinstallation. Sie leitet jeden ungewollten Strom - etwa bei einem Kurzschluss oder einem defekten Gerät - sicher in den Boden. Ohne sie fließt der Strom durch Sie, wenn Sie eine beschädigte Steckdose berühren. Das ist kein Theoriegebäude. Das ist Realität. Laut VDE-Fachkommission steigt das Risiko bei Renovierungen in Altbauten massiv, weil alte Erdungen oft nicht mehr den heutigen Normen entsprechen. In Häusern aus den 80er-Jahren sind 63 % der Erdungsanlagen nicht mehr sicher. Das ist kein Statistikwert - das ist Ihre Nachbarin, Ihr Vater, Ihr eigenes Zuhause.Wie prüfen Sie Ihre Erdungsanlage richtig?
Sie können nicht einfach mit einem Multimeter an der Steckdose messen. Das funktioniert nicht. Die Erdung muss als eigenständiges System geprüft werden. Dafür gibt es zwei Methoden - und nur eine davon ist verlässlich.- Dreileiter-Messmethode: Sie brauchen ein spezielles Messgerät, zwei Hilfserder und mindestens 20 Meter Abstand zwischen ihnen. Der Fachmann öffnet den Trennsteg der Erdung, verbindet die Hilfserder mit dem Messgerät und misst den Widerstand zwischen Ihrem Haus-Erder und dem Boden. Diese Methode ist genau - aber aufwendig. Sie braucht Zeit, Platz und Erfahrung.
- Erdungsprüfzange: Sie klemmen die Zange einfach um den Erdungsleiter - fertig. In 5 Minuten messen Sie 12 Häuser. Das klingt ideal. Aber: Wenn es andere Erdungswege gibt - etwa durch Metallrohre oder Nachbaranlagen - dann zeigt die Zange falsch niedrige Werte. Ein Hausmeister in Graz hat mit der Zange 4,8 Ohm gemessen. Mit der Dreileiter-Methode kam dann 22 Ohm heraus. Das ist kein Fehler. Das ist eine Falle. Und diese Falle hat schon mehrere Elektriker in Schwierigkeiten gebracht.
Der entscheidende Wert: Der Erdungswiderstand muss unter 100 Ohm liegen. Aber das ist nur die Mindestanforderung. Für moderne FI-Schutzschalter mit 30 mA Auslösestrom ist ein Wert unter 10 Ohm ideal. Wenn Sie mehr als 50 Ohm messen, ist eine Erneuerung dringend nötig. In Altbauten liegt der Durchschnitt bei 80-150 Ohm - das ist gefährlich.
Was macht eine gute Erdungsanlage aus?
Es geht nicht nur um den Widerstand. Es geht um Material, Tiefe und Schutz.- Materiale: Nur korrosionsfester Rundstahl mit mindestens 10 mm Durchmesser oder NIRO V4A (Edelstahl 1.4401) ist erlaubt. Alte Eisenerder aus den 70ern rosten von innen - und brechen ohne Warnung.
- Typen: Fundamenterder (im Beton des Kellerbodens) sind besser vor Korrosion geschützt als Tiefenerder (Stangen im Boden). Aber wenn der Boden trocken oder steinig ist, brauchen Sie Tiefenerder. In Graz, wo der Boden oft lehmig ist, reicht ein Fundamenterder oft aus - wenn er richtig eingebaut ist.
- Betonüberdeckung: Mindestens 5 cm Beton über dem Erder. Das ist nicht optional. 80 % der Schäden an Fundamenterdern kommen von zu geringer Überdeckung. Der Beton schützt vor Sauerstoff - und damit vor Rost.
Ein weiterer Punkt: Der Erdungsleiter vom Keller bis zur Hauptschalttafel muss aus Kupfer mit mindestens 16 mm² Querschnitt sein. Kein Aluminium. Kein dünner Draht. Und er muss durchgängig sein - keine lose Klemme, keine lose Schraube.
Wann müssen Sie die Erdung erneuern?
Nicht alle Altbauten brauchen eine neue Erdung. Aber viele. Hier sind die klaren Anzeichen:- Der Erdungswiderstand ist über 50 Ohm.
- Die Erdung besteht aus Eisen oder verzinktem Stahl - nicht aus Edelstahl oder Kupfer.
- Der Leiter ist nur 6 mm² dünn oder hat lose Verbindungen.
- Es gibt keine Dokumentation - kein Protokoll, keine Pläne, keine Messwerte.
- Das Haus wurde nach 1990 renoviert, aber die Erdung wurde nicht neu geprüft.
Und hier ist der Trick: Wenn Sie eine Photovoltaik-Anlage nachrüsten, müssen Sie die Erdung neu prüfen - per Gesetz. PV-Wechselrichter brauchen eine stabile Erdung. Und viele Installateure vergessen das. Dann wird die Anlage nicht abgenommen. Oder - schlimmer - sie funktioniert, aber ist unsicher.
Wie läuft eine Erneuerung ab?
Eine Erdungsanlage erneuern ist kein Heimwerkerprojekt. Das ist Facharbeit. Und zwar nach DIN 18014:2023-06. Aber Sie können den Prozess verstehen.- Bodenuntersuchung: Der Elektriker prüft den Bodenwiderstand. In trockenen Lagen wie dem Grazer Hügelland braucht man oft mehrere Tiefenerder.
- Alte Erdung entfernen: Nicht immer. Manchmal kann man sie mit neuen Leitern ergänzen. Aber wenn sie rostig ist, muss sie raus.
- Neue Erdung installieren: Entweder Fundamenterder im Keller - oder mindestens zwei Tiefenerder mit 2,5 Meter Länge im Garten. Die werden mit Kupferleitern verbunden.
- Verbindung zur Schalttafel: Der neue Leiter führt direkt zur Haupterdungsleiste - ohne Unterbrechung.
- Messung und Dokumentation: Mit der Dreileiter-Methode wird gemessen. Alle Werte werden in einem Protokoll festgehalten - mit Datum, Ort, Gerät, Messwert, Unterschrift. Das ist Pflicht. Und es schützt Sie - falls später etwas passiert.
Ein Einfamilienhaus in Graz braucht durchschnittlich 8 Stunden Arbeit. Die Kosten liegen zwischen 1.200 und 2.500 € - je nach Boden, Zugänglichkeit und Material. Das klingt viel. Aber vergleichen Sie das mit den Kosten eines Elektrounfalls. Oder mit dem Wert Ihres Hauses, wenn es bei einer Versicherung wegen fehlender Erdung nicht abgesichert ist.
Dokumentation ist Ihr Schutz
Ein Elektriker, der keine Dokumentation übergibt, macht keine ordentliche Arbeit. Die DIN 18014:2023-06 schreibt vor: Sie brauchen ein Protokoll mit:- Name und Adresse des Hausbesitzers
- Art der Erdung (Fundamenterder, Tiefenerder)
- Material und Querschnitt der Leiter
- Messwerte vor und nach der Arbeit
- Name und Zertifikat des Installateurs
- Datum der Prüfung
Diese Unterlagen brauchen Sie nicht nur für die Versicherung. Sie brauchen sie, wenn Sie das Haus verkaufen. Ein Käufer wird fragen: „Ist die Erdung geprüft?“ Wenn Sie keine Antwort haben, sinkt der Wert Ihres Hauses. Und Sie riskieren, dass jemand später einen Schaden meldet - und Sie haften.
Was Sie nicht tun dürfen
- Nicht selbst messen: Ohne spezielle Geräte und Ausbildung messen Sie falsch. Und glauben dann, alles sei in Ordnung.
- Nicht mit Kupferdraht improvisieren: Ein dünner Draht von der Waschmaschine zur Heizung ist keine Erdung. Das ist eine Falle.
- Nicht auf den „guten Ruf“ des Elektrikers vertrauen: Fragen Sie nach dem Messprotokoll. Wenn er sagt „Das machen wir immer so“, dann ist das kein Beweis.
- Nicht ignorieren, wenn der FI-Schalter springt: Das ist kein „Stromausfall“. Das ist ein Alarm.
Was kommt als Nächstes?
Die Normen werden strenger. Ab 2025 wird die DIN VDE 0100-540 geändert - mit noch niedrigeren Grenzwerten. Und die Digitalisierung schreitet voran. Bis 2028 werden 75 % aller Erdungsmessungen mit digitalen Geräten gemacht - und die Daten direkt in die Cloud hochgeladen. Das heißt: In Zukunft wird jeder Hausbesitzer per App sehen, ob seine Erdung noch sicher ist. Aber heute? Heute liegt die Verantwortung bei Ihnen.Wenn Sie in einem Haus aus den 80ern oder 90ern wohnen - und nie eine Erdungsprüfung hatten - dann ist jetzt der Zeitpunkt. Nicht nächstes Jahr. Nicht wenn es regnet. Jetzt. Eine funktionierende Erdung ist nicht luxuriös. Sie ist elementar. Wie eine Feuerwehr. Sie hoffen, sie nie brauchen zu müssen. Aber Sie wollen sie da haben, wenn es darauf ankommt.
Kann ich die Erdungsanlage selbst prüfen?
Nein. Die Messung der Erdungsanlage erfordert spezielle Geräte, wie ein Erdungswiderstandsmessgerät mit Dreileiter-Methode, und fachliche Kenntnisse, um die Ergebnisse richtig zu interpretieren. Ein einfaches Multimeter misst nicht den Erdungswiderstand, sondern nur die Spannung. Falsche Messungen führen zu falscher Sicherheit - und das kann tödlich sein. Nur zugelassene Elektrofachkräfte dürfen die Prüfung durchführen.
Was kostet eine neue Erdungsanlage in einem Einfamilienhaus?
Die Kosten liegen zwischen 1.200 und 2.500 Euro, abhängig von der Bodenbeschaffenheit, der Zugänglichkeit des Kellerbodens und dem verwendeten Material. Ein Fundamenterder ist oft günstiger als mehrere Tiefenerder. In steinigem oder trockenem Boden steigen die Kosten, weil mehr Erdungselemente nötig sind. Die Dokumentation und Prüfung sind in diesem Preis enthalten.
Wie oft muss die Erdungsanlage überprüft werden?
Mindestens alle 10 Jahre. Aber bei baulichen Veränderungen - wie dem Einbau einer Photovoltaik-Anlage, einer neuen Heizung oder einer Sanierung - muss die Erdung immer neu geprüft werden. In Altbauten, die nicht modernisiert wurden, reicht eine Prüfung alle 5 Jahre. Wenn der FI-Schalter häufig auslöst, sollte sofort geprüft werden - unabhängig vom Zeitplan.
Warum ist die Dokumentation so wichtig?
Die Dokumentation ist Ihr rechtlicher Nachweis, dass die Erdung den aktuellen Normen entspricht. Ohne Protokoll können Sie bei einem Unfall haftbar gemacht werden. Auch bei der Versicherung - viele lehnen Schadensfälle ab, wenn keine Erdungsprüfung vorliegt. Und beim Verkauf des Hauses ist eine vollständige Dokumentation ein Verkaufsargument. Sie beweist, dass das Haus sicher und ordnungsgemäß instand gehalten wurde.
Kann ich meine alte Erdung einfach erweitern?
Nur unter bestimmten Bedingungen. Wenn die alte Erdung aus korrosionsbeständigem Material (z. B. Edelstahl) besteht und der Widerstand unter 50 Ohm liegt, kann man sie ergänzen. Aber wenn sie aus Eisen oder verzinktem Stahl ist - wie in vielen Altbauten - dann ist sie nicht mehr sicher. Dann muss sie komplett ersetzt werden. Eine Erweiterung ist keine Lösung, wenn das Fundament korrodiert ist.
Was passiert, wenn ich die Erdung ignoriere?
Der FI-Schalter kann ausfallen - und dann fließt der Strom durch Ihren Körper, wenn Sie ein defektes Gerät berühren. Das kann tödlich sein. Außerdem verliert Ihre Hausratversicherung den Schutz, wenn sie feststellt, dass die Erdung nicht den Normen entspricht. Und wenn ein Schaden entsteht - etwa ein Brand durch einen Kurzschluss - dann haften Sie persönlich. Die Versicherung zahlt nicht. Und Sie könnten vor Gericht landen.
Warum messen manche Elektriker mit der Zange, obwohl sie ungenau ist?
Weil sie schneller ist. Die Erdungsprüfzange ist ideal für schnelle Kontrollen in TN-C-S-Netzen - aber nur, wenn keine parallelen Erdpfade vorhanden sind. Viele Elektriker nutzen sie, um Zeit zu sparen. Aber wenn das Haus mit anderen Gebäuden über Rohre oder Metallteile verbunden ist, zeigt die Zange falsch niedrige Werte. Das ist ein Risiko. Die Dreileiter-Methode ist die einzige Methode, die den tatsächlichen Erdungswiderstand misst - und deshalb die einzige, die verbindlich ist.
Gibt es Förderungen für die Erneuerung der Erdungsanlage?
Derzeit gibt es in Österreich keine bundesweite Förderung für die Erneuerung von Erdungsanlagen allein. Wenn Sie die Erdung im Rahmen einer umfassenden Sanierung erneuern - etwa mit Wärmepumpe, Dämmung oder Photovoltaik - können Sie Fördermittel für diese Maßnahmen beantragen. Die Erdung ist dann oft Teil des Gesamtpakets. Fragen Sie bei Ihrer regionalen Energieagentur nach. In Graz gibt es z. B. Beratungsprogramme für Energieeffizienz, die auch elektrische Sicherheit einschließen.