Bauordnungsrecht in den Bundesländern: Was Bauherren 2025 wissen müssen

Bauordnungsrecht in den Bundesländern: Was Bauherren 2025 wissen müssen

Warum Ihre Bauordnung vom Bundesland abhängt

Wenn Sie in Deutschland bauen, ist das erste, was Sie nicht übersehen dürfen: Es gibt keine einheitliche Bauordnung für ganz Deutschland. Jedes der 16 Bundesländer hat seine eigene Landesbauordnung (LBO). Das ist kein technisches Detail - das ist ein massiver Einflussfaktor auf Ihre Baukosten, Ihre Bauzeit und sogar, ob Ihr Projekt genehmigt wird. Ein Haus in Berlin muss anders gebaut werden als ein Haus in Bayern. Und das nicht nur wegen der Architektur, sondern wegen des Rechts.

Die Grundlage dafür liegt im Grundgesetz: Artikel 30 und 70 geben den Ländern die Zuständigkeit für das Bauwesen. Das bedeutet: Kein Bundeseingriff. Keine einheitlichen Regeln. Nur 16 verschiedene Versionen desselben Themas. Die Musterbauordnung (MBO) der Bauministerkonferenz dient als Orientierung, aber sie ist nicht bindend. Länder können und tun es - sie ändern bis zu 30 Prozent der Vorgaben. Das führt zu echten Unterschieden, die Bauherren direkt treffen.

Die drei größten Unterschiede, die Ihr Projekt beeinflussen

Wenn Sie planen, bauen oder umbauen, konzentrieren Sie sich auf drei Bereiche, die in den Landesbauordnungen am stärksten variieren: Energieeffizienz, Barrierefreiheit und Brandschutz.

Energieeffizienz: Hier läuft Deutschland nicht gleichmäßig. Baden-Württemberg und Hamburg verlangen ab 2024 für Neubauten den Effizienzhausstandard 40 - das ist deutlich strenger als der Bundesdurchschnitt. In Sachsen und Thüringen gilt das erst ab 2026. Das bedeutet: Ein Bauherr, der in beiden Ländern baut, muss zwei verschiedene Dämmkonzepte planen. Die Deutsche Energieagentur (dena) hat ein Online-Tool namens „LBO-Vergleich“ entwickelt, das genau diese Unterschiede aufzeigt. Über 15.000 Bauherren nutzen es monatlich. Wer das nicht nutzt, baut teurer und riskiert spätere Nachbesserungen.

Barrierefreiheit: Das ist der Bereich mit den größten Diskrepanzen. In Berlin muss jede neue Wohnung barrierefrei sein - keine Ausnahme. In Bayern gilt das nur für 10 Prozent der Wohnungen. In Nordrhein-Westfalen ist die Regelung dazwischen: 20 Prozent der Wohnungen müssen barrierefrei sein, wenn es mehr als zehn Einheiten gibt. Das ist kein Kleinigkeiten. Wer eine Wohnung für ältere Eltern plant, muss wissen: In Berlin wird das Standard, in Mecklenburg-Vorpommern ist es optional. Die Folge: Bauherren, die in mehreren Bundesländern aktiv sind, müssen ihre Baupläne komplett neu anpassen - oder riskieren, dass ihre Investition nicht genutzt werden kann.

Brandschutz: Auch hier gibt es große Unterschiede. In Bayern müssen Holzkonstruktionen in Mehrfamilienhäusern oft mit zusätzlichen Brandschutzplatten ummantelt werden, während in Niedersachsen die gleiche Konstruktion ohne Zusatzmaßnahmen genehmigt wird. Die Bauindustrie berichtet seit 2020 von einem Anstieg von Rechtsstreitigkeiten um 22 Prozent - fast alle gehen auf unterschiedliche Auslegungen dieser Vorschriften zurück. Ein Architekt, der in Bayern arbeitet, kennt andere Regeln als einer in Hamburg. Wer das nicht beachtet, riskiert Baustopp oder Rückbau.

Wie lange dauert die Baugenehmigung wirklich?

Die Fristen für die Baugenehmigung variieren von Bundesland zu Bundesland - und das ist kein Nebenschauplatz. In Berlin liegt die durchschnittliche Bearbeitungszeit bei 2 Monaten. In Baden-Württemberg dauert es 3,5 Monate. In Nordrhein-Westfalen können es bis zu 6 Monate sein, besonders wenn das Projekt in einem geschützten Gebiet liegt. Das ist kein Zufall. Es liegt an der Auslastung der Behörden, aber auch an der Komplexität der jeweiligen LBO.

Was viele nicht wissen: In einigen Ländern gibt es beschleunigte Verfahren - zum Beispiel für energieeffiziente Neubauten oder Wohnraumförderung. In Baden-Württemberg können Sie bei bestimmten Projekten eine „Schnellgenehmigung“ beantragen, wenn Sie die Energieeffizienz-Standards übertreffen. In Berlin ist das nicht möglich. Stattdessen gibt es dort ein digitales Bauantragsportal, das alle Unterlagen automatisch prüft - aber nur, wenn sie perfekt ausgefüllt sind. Ein falsches Formular, ein fehlender Lageplan - und der Prozess startet von vorne.

Ein Bauherr aus Köln berichtete 2024, dass er für sein Einfamilienhaus in NRW 14 Wochen warten musste - nur weil er die falsche Version des Dachaufsatzplans eingereicht hatte. In Bayern hätte er den gleichen Plan in 8 Wochen genehmigt bekommen. Die Differenz: 6 Wochen Zeit, 3.000 Euro Mehrkosten für Mietwagen, Baustellenlogistik und Zinsen.

Zwei Wohnhäuser nebeneinander: Ein Berliner Mehrfamilienhaus mit barrierefreien Zugängen und ein bayerisches Einfamilienhaus mit nur einer zugänglichen Wohnung.

Wie viel kostet es, die Unterschiede zu beachten?

Die Unterschiede in den Landesbauordnungen kosten Geld - und zwar deutlich mehr, als die meisten Bauherren denken. Eine Umfrage des Deutschen Handwerksbundes aus 2022 mit 1.200 Unternehmen ergab: 78 Prozent der Bauunternehmen haben pro Projekt durchschnittlich 8.500 Euro zusätzliche Kosten, um die unterschiedlichen Vorschriften zu erfüllen. Bei kleinen Unternehmen mit weniger als 20 Mitarbeitern liegt die Zahl sogar bei 65 Prozent, die Bauvorhaben in anderen Bundesländern komplett vermeiden, weil sie die Rechtslage nicht bewältigen können.

Das ifo Institut hat berechnet: Die unterschiedlichen Bauordnungen erhöhen die Baukosten in Deutschland durchschnittlich um 5,7 Prozent. Das sind bei einem 300.000-Euro-Haus fast 17.000 Euro mehr. Und das ist nicht nur auf Materialien zurückzuführen. Es sind die Planungskosten, die doppelte Prüfung, die Anpassung der Baupläne, die teureren Fachplaner, die spezifisch für ein Bundesland ausgebildet sind.

Ein weiterer Punkt: Die Fehlerquote bei selbst geplanten Bauvorhaben liegt bei 43 Prozent - und fast alle Fehler sind auf falsche Interpretation der Landesbauordnung zurückzuführen. Wer ohne Architekt baut, der baut nicht nur riskanter - er baut teurer. Ein professioneller Planer, der Erfahrung mit der LBO des jeweiligen Bundeslandes hat, spart am Ende Geld. Nicht nur durch korrekte Planung, sondern auch durch schnellere Genehmigung.

Was Sie jetzt tun müssen - Schritt für Schritt

Wenn Sie planen, bauen oder umbauen, hier ist, was wirklich zählt:

  1. Bestimmen Sie den Standort genau. Nicht „irgendwo in Bayern“, sondern die genaue Gemeinde. In manchen Regionen gelten zusätzliche Baugesetze - etwa bei Denkmalschutz oder Landschaftsschutz.
  2. Finden Sie die aktuelle Landesbauordnung. Suchen Sie auf der Website der Bauaufsicht Ihres Bundeslandes nach „Landesbauordnung“ und „aktuelle Fassung“. Prüfen Sie, ob sie nach 2023 aktualisiert wurde - viele Länder haben ihre Vorschriften 2023 an die EU-Gebäuderichtlinie angepasst.
  3. Nutzen Sie das dena-Tool „LBO-Vergleich“. Es zeigt Ihnen die Unterschiede zu anderen Bundesländern in klaren Tabellen. Keine Theorie - konkrete Zahlen: Dachneigung, Dämmwert, Treppenbreite, WC-Abmessungen.
  4. Holen Sie sich einen Architekten mit lokaler Erfahrung. Ein Architekt aus Stuttgart kennt die Bauordnung in Baden-Württemberg. Ein Architekt aus Leipzig kennt die in Sachsen. Lassen Sie sich nicht von jemandem beraten, der nur aus einem anderen Bundesland kommt.
  5. Planen Sie 30 Stunden für die Recherche ein. Das ist keine Übertreibung. Das Baunormenlexikon empfiehlt genau das. Wenn Sie weniger Zeit investieren, riskieren Sie eine teure Ablehnung.
  6. Prüfen Sie, ob Förderungen gelten. In einigen Ländern gibt es Zuschüsse, wenn Sie die strengsten Energie- oder Barrierefreiheitsstandards übertreffen. In Bayern gibt es das nicht. In Hamburg schon.
Digitale Deutschlandkarte mit farbigen Zonen für Energiestandards und Verzögerungspfeile, visualisiert Bauvorschriften ohne Text.

Was kommt 2025-2026? Der Weg zur Harmonisierung

Es gibt Bewegung. Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag 2021-2025 vereinbart, die Harmonisierung der Landesbauordnungen voranzutreiben - besonders bei Energieeffizienz und Barrierefreiheit. Ab 2025 soll das „Gebäudeenergiegesetz Plus“ eine bundesweite Mindestanforderung einführen. Das bedeutet: Selbst wenn ein Land weniger streng ist, muss es mindestens diesen Standard erfüllen.

Die Bauministerkonferenz arbeitet an einer neuen Musterbauordnung, die bis 2025 fertig sein soll. Die Deutsche Bauindustrie rechnet damit, dass bis 2028 etwa 60 Prozent der LBOs bei den Kernthemen Energie, Brandschutz und Barrierefreiheit harmonisiert sein werden. Das ist ein Fortschritt - aber kein Ende der Unterschiede.

Regionale Besonderheiten bleiben. Die Baukultur in der Altstadt von Lübeck ist anders als in einem Neubaugebiet bei Frankfurt. Die Landschaft in den Alpen ist anders als in der Mark Brandenburg. Die Länder wollen diese Flexibilität behalten. Die Zukunft liegt nicht in einer einheitlichen Bauordnung, sondern in besserer Transparenz - und digitalen Hilfsmitteln, die Ihnen zeigen, was in Ihrem Bundesland gilt.

Was passiert, wenn Sie die LBO ignorieren?

Ein falscher Treppenabsatz. Ein zu kleines Fenster im Bad. Eine Dämmung, die nicht den neuen Wärmedämmwerten entspricht. Das klingt klein. Ist es aber nicht.

Die Verbraucherzentrale warnt: Wer gegen die Landesbauordnung verstößt, riskiert Bußgelder bis zu 50.000 Euro. Im schlimmsten Fall wird das gesamte Bauvorhaben zurückgebaut - und das nach der Fertigstellung. Es gibt Fälle, in denen Häuser, die schon bewohnt wurden, abgerissen wurden, weil die Dachneigung nicht den Vorgaben entsprach. Oder weil die Treppenbreite 5 Zentimeter zu schmal war.

Die Rechtsunsicherheit ist real. Und sie kostet nicht nur Geld - sie kostet Zeit, Nerven und Vertrauen. Wer baut, sollte nicht mit dem Gesetz spielen. Wer baut, sollte wissen, was gilt - und wo.